Minimum Viable Organization –  Unternehmen und Menschen  im Mittelpunkt des Change-Prozesses
5.10.2021

Minimum Viable Organization – Unternehmen und Menschen im Mittelpunkt des Change-Prozesses

Die Digitalisierung und die rasante Entwicklung neuer Technologien haben längst eine Revolution von Wirtschaft und Gesellschaft eingeläutet. VUCA-Welt, Industrie 4.0, Künstliche Intelligenz, Robotic oder Geschäftsmodellinnovation sind nur Schlagworte in einem Dickicht, das unternehmerisches Handeln geradezu herausfordert und gleichzeitig den Abgesang auf klassische Geschäftsmodelle einleitet. Völlig unklar ist in dieser Situation noch, welche Rolle Menschen und Unternehmen künftig spielen werden: Sind sie Leidtragende oder Gestalter dieser Veränderung? Können sie sich im Strom der Masse mitziehen lassen oder muss man vorneweg marschieren? Wie sollten sich Unternehmen künftig organisieren, wenn eine klassische Struktur nicht mehr adäquat handlungsfähig ist?

 

Antworten auf diese Fragen haben wir mit Franziska Gütle, Gründerin von WE THINK DIFFERENT, diskutiert.

 

Der Klassiker – die Trennung von Denken und Handeln 

Für Franziska war unser wirtschaftliches, industriell geprägtes Handeln maßgeblich von der Taylor’schen Trennung aus Denken und Handeln geprägt. „In den etablierten Organisationsformen hat zumeist jeder seine feste Rolle, was auch gut funktioniert, solange der Markt stabil ist. Man weiß genau, was auf einen zukommen und wie man damit umzugehen hat.“ Dementsprechend konnten sich Unternehmen verhältnismäßig einfach organisieren: Die Unternehmensführung ist verantwortlich für die denkerischen Entscheidungsprozesse, während die Mitarbeitenden Anweisungen ausführen – und das möglichst ohne denkerische Entscheidungen kritisch zu hinterfragen oder gar eigene Gedanken zu äußern. Und jetzt? „Die Rahmenbedingungen für Unternehmen haben sich grundsätzlich verändert: Der Druck wird immer größer, dass du etwas bieten musst, das dich von deinen Wettbewerbern in einem globalen, gesättigten Markt unterscheidet.“ Technologie ist dabei noch ein zusätzlicher, ambivalenter Beschleuniger, da viele Innovationen einerseits technisch getrieben sind, andererseits technische Neuerungen einem ebenso immer kürzer werden Entwicklungszyklus unterliegen. „Damit Schritt halten zu wollen ist vergleichbar, wenn man mit einem Fahrrad bei einem Formel-1-Rennen teilnehmen möchte“, so Franziska.

 

Warum erzeugt die klassische Hierarchie nicht mehr die Wirkung, die sie eigentlich braucht? 

Veränderte Rahmenbedingungen betreffen also nicht nur die Art wirtschaftlichen Handelns, sondern auch die Art, ein Unternehmen zu organisieren und zu führen. „Zu sagen, klassische Führungsinstrumente wären falsch, ist weder passend noch hilfreich. Denn es geht nicht um falsch oder richtig, sondern um einen Perspektivwechsel. Gleiches gilt natürlich auch für die Mitarbeiter.“ Franziska zufolge müsse zunächst ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, warum die klassische Hierarchie nicht mehr die Wirkung erzeugt, die sie eigentlich braucht. „In einer Pyramide entscheiden nur ganz wenige. Da kann es schon mal dauern, bis Themen von ganz unten bis ganz oben in der Spitze der Pyramide ankommen. Vor einer Entscheidung wird akribisch geprüft, ob alle relevanten Informationen vorliegen. Falls nicht, wandert das Thema in der Pyramide wieder zurück und der Prozess beginnt von vorne.“

Derartige Entscheidungsprozesse sind nicht (mehr) mit den heutigen Anforderungen vereinbar. Allerdings treffen vermeintlich neue Formen der Zusammenarbeit erstmal auf eine etablierte Arbeitskultur: „In einer klassischen Hierarchie ist man es gewohnt, wenig zu hinterfragen und Kritik nur in seltenen Fällen zu äußern. Eine selbstlernende Organisation setzt allerdings genau das voraus – und das führt im ersten Moment zu Konflikten. Doch jeder Konflikt ist auch eine Chance, etwas zu lernen und somit das ganze System stetig weiterzuentwickeln.“

 

Wie kann der Übergang zu einer selbst lernenden Organisation aussehen? 

Für Franziska kommt es deshalb erstmal darauf an, ein System zu schaffen, das sich an ein dynamisches Umfeld anpassen kann. „Eine Bank z.B. kann mit der eigenen Transformation beginnen, indem sie auf dezentrale, interdisziplinäre Teameinheiten setzt. In diesen Einheiten agieren Menschen, die mit den entsprechenden Kompetenzen einen Marktdirekt bedienen und somit maximale Kundenorientierung gewährleisten können.“  

Muss deshalb möglichst alles und möglichst schnell verändert bzw. revolutioniert werden? Nein! Genau daran scheitern Franziska zu Folge viele Unternehmen. „Gewisse Aufgaben können ja zentral bleiben, wie z.B. Lohnabrechnungen oder die Buchhaltung. Entscheidend ist vielmehr, die Wertschöpfung in kleinere Teams zu geben, die sich wiederum selbst organisieren können und die Verantwortung selbst tragen.“ Franziska hilft dabei, Systeme zu schaffen, die mit den Veränderungen mitgehen, sich neuartigen Entwicklungen schnell anpassen und im Idealfall sogar vorantreiben können. Ein großer Fehler wäre esdeshalb, einfach ein altes System bzw. eine gewohnte Arbeitsweise durch ein komplett neues, anderes und ungewohntes System zu ersetzen.

 

Der Weg zu einer neuen Organisationsform ist immer evolutionär

Überspitzt dargestellt wäre die klassische, hierarchisch geprägte Herangehensweise nun, dass das Topmanagement ein bis zwei Bücher zum Thema Change liest und den Paradigmenwechsel verkündet. Für Franziska ist dies „das Überstülpen bzw. Einführen von Blaupausen oder einfach irgendwelcher Tools. Das ist nur wilder Aktionismus und Big Bang, und das hilft niemandem. One size fits all, das funktioniert hier nicht.“ Zwar greift auch sie methodisch auf Elemente eines Baukastens zurück, aber dieser besteht aus ihrer inzwischen jahrelangen Erfahrung als Organisationsbegleiterin aus festen Bausteinen.

ErsterSchritt auf dem Weg zur Entwicklung neuer Organisationsformen ist für Franziska immer die Klärung der Sinnfrage: Warum macht es für ein Unternehmen Sinn, sich mit neuen Organisationsformen zu beschäftigen? „Entscheidend ist, die Herausforderungen des Unternehmens und die wahren Problemursachen zu identifizieren. Von diesem Punkt ausgehend kommt man mit den zur Situation passenden Impulsen schnell in den gestaltenden Modus. Dann gewinnen die Themen eine eigene Dynamik, und man ist eher Begleiter bzw. Helfer auf einem evolutionären Weg hin zu neuen Organisationsformen.“

Franziska braucht mit ihrem Kollegen Christian zusammen für den Start in der Regel zwei bis vier Tage. Und sie verspricht: „Auch wenn wir die Lösung zu Beginn nicht wissen – am Ende steht immer ein Konzept, das aus Sicht aller Beteiligten einfach genial ist und Orientierung in der Umsetzungsphase gibt. Diese läuten wir gerne mit der Zusammenstellung einer kleinen Pilot-Einheit ein, um bereits im ganz frühen Stadium Erfahrungen zu sammeln und zu lernen.“ In Anlehnung an die agile Produktentwicklung nennt Franziska diesen Prototypen MVO, also die Minimum Viable Organization.

 

Wir sind ebenfalls von dieser akteurs- und unternehmenszentrierten Sichtweise überzeugt: Digitalisierungslösungen bzw. die Begleitung von Digitalisierungsprozessen muss individuell bzw. akteurszentriert erfolgen, damit sie gelingt und den Unternehmenserfolg langfristig sichert bzw. steigert. Das Motto ist hier also nicht entsprechend des von Franziska mitgegründeten Unternehmens WE THINK DIFFERENT, sondern WE ARE THINKING ALONG THE SAME LINES.

 

Möchten Sie die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen vorantreiben oder suchen Sie nach einer soliden Beratung und Prozessbegleitung?  

Kontaktieren Sie uns und Franziska gerne direkt.

 

Steckbrief:

Franziska hat Wirtschaftsingenieurwesen studiert und anschließend als Führungskraft im Industrieumfeld gearbeitet. Im Laufe der Zeit hat sie dabei eine große Leidenschaft für Geschäftsprozessgestaltung entwickelt. Kein Wunder also, dass sie jetzt Unternehmen dabei begleitet, Strukturen und Organisationen der Zukunft voranzutreiben und zu entwickeln. Die wichtigsten Themen sind daher für sie Führung, Lean, Agilität und New Work mit dem Ziel, bestehende Organisationsformen weiterzuentwickeln und zu einem besseren Selbst zu verhelfen.

 

 

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